Pflichtteilsansprüche und Vermächtnisse


Vermächtnisse in Testamenten sind ein beliebtes Instrument, um einer Person einen bestimmten Vermögenswert des Nachlasses zu vererben. Wenn jedoch Pflichtteilsansprüche einer enterbten Person mit im Spiel sind, dann ergeben sich Fragen bzgl. eines Kürzungsrechts bei Vermächtnissen von Seiten des Erben bzw. der Erbengemeinschaft. Im Folgenden werden verschiedene Fallkonstellationen aufgezeigt:

Beispiel 1: Erblasser ist geschieden und hat ein Kind Klaus. Nachlasswert sind 400.000 €. Alleinerbin ist die Lebensgefährtin Luise, ein guter Freund Friedrich erhält ein Vermächtnis im Wert von 125.000 €. Klaus wird enterbt.

Lösung: Pflichtteilsanspruch des Klaus beträgt 200.000 € und richtet sich gegen die Erbin, d.h. die Lebensgefährtin Luise. Jedoch kann Luise verlangen, dass auch das Vermächtnis anteilig gekürzt wird, um den Pflichtteil auszuzahlen. Die Kürzung des Vermächtnisses berechnet sich nach der „Martin’schen Formel“ (Kürzungsrecht, § 2318 Abs. 1 BGB) wie folgt: Vermächtnis / Nachlass x Pflichtteilslast = 125.000 € / 400.000 € x 200.000 € = 62.500 €. Vereinfacht: Luise kann damit das Vermächtnis um 50 % (= Pflichtteilsquote am Nachlass) kürzen, um den Pflichtteil an Klaus zu zahlen. Letztlich bekommt Luise 137.500 € und Friedrich 62.500 €. Klaus erhält einen Pflichtteil (in Cash) von 200.000 €. Falls das Vermächtnis ein Vermögensgegenstand ist (wie z.B. eine Immobilie im Wert von 125.000 €), dann kann Friedrich der Luise das Kapital überweisen, um eine Liquidierung des Vermächtnisses zu verhindern.

Beispiel 2: Erblasser ist verwitwet und hat zwei Kinder. Der Nachlass beträgt 500.000 €. Der Erblasser setzt seine Lebensgefährtin Luise als Alleinerbin ein. Seinen Sohn Simon enterbt er. Seine Tochter Tina erhält ein Vermächtnis von 125.000 € und sein Freund Friedrich ebenfalls ein Vermächtnis von 125.000 €.

Lösung: Pflichtteilsanspruch des Simon beträgt 125.000 € und richtet sich gegen die Erbin, d.h. die Lebensgefährtin Luise. Luise kann bei dem Vermächtnis der Tina keine Kürzung vornehmen, da die Höhe des Vermächtnisses dem Pflichtteil der Luise entspricht. Das Vermächtnis des Friedrichs kann auf den ersten Blick um 25 % (Pflichtteilsquote des Simons) gekürzt werden. Luise kann aber auch das Vermächtnis des Friedrichs noch weiter kürzen. Denn der „Ausfall“ der Beteiligung der Tina in Höhe von 25 % * 125.000 € = 31.250 € kann ebenfalls anteilig gekürzt werden, d.h. eine zusätzliche Kürzung von 25 % * 31.250 € = 7.812,5 € ist möglich. Damit beträgt die gesamte Kürzung des Vermächtnisses 39.062,5 €. Letztlich sieht die Rechnung für Luise folgendermaßen aus: 500.000 € - 125.000 € (Vermächtnis Tina) – 85.937,5 € (gekürztes Vermächtnis Friedrich) - 85.937,5 € (Anteil Pflichtteilszahlung an Simon) = 203.125 €.

Beispiel 3: Erblasser ist verwitwet und hat zwei Kinder. Der Nachlass beträgt 400.000 €. Der Erblasser setzt seinen Sohn Simon als Alleinerbin ein. Seine Tochter Tina enterbt er. Seine Lebensgefährtin Luise erhält ein Vermächtnis von 350.000 €.

Lösung: Pflichtteilsanspruch der Tina beträgt 100.000 € und richtet sich gegen den Erben, d.h. den Sohn Simon. Simon muss allerdings das Vermächtnis an Luise auszahlen. Nach der Auszahlung würden ihm lediglich 50.000 € übrigbleiben. Dabei hat er selbst einen Pflichtteilsanspruch von 100.000 €. In diesem Fall kann Simon das Vermächtnis um die ganze Pflichtteilszahlung an Tina kürzen. Damit bleiben dem Simon 50.000 €, Tina erhält 100.000 € und Luise ein Vermächtnis in Höhe von 250.000 €. Wichtig: Damit auch Simon seinen Pflichtteil einfordern könnte, hätte er das Erbe ausschlagen müssen. Sobald das Erbe angenommen wird, müssen auch alle Verpflichtungen wie Vermächtnisse oder Auflagen im Testament erfüllt werden. 

Beispiel 4: Abwandlung von Beispiel 3 – Sohn Simon schlägt sein Erbe aus . Der Erblasser hat für diesen Fall die Eltern als Ersatzerben im Testament eingesetzt.

Lösung: Die Pflichtteilsansprüche von Tina und Simon betragen je 100.000 € und richten sich gegen den Erben, d.h. die Eltern. Da die Eltern in diesem Fall keine eigenen Pflichtteilsansprüche besitzen (da Kinder beim Erblasser existieren), müssen sie den kompletten Nachlass zur Bedienung der Pflichtteilsansprüche und des Vermächtnisses verwenden. Letztlich bleibt für die Eltern nichts übrig, Tina und Simon erhalten je 100.000 € und für Luise bleibt ein Vermächtnis in Höhe von 200.000 €.

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